Motion Gear

Einleitung / Überblick

Wenn’s so richtig cool werden soll, ist bei vielen Szenen neben der beschleunigten Objektbewegung noch eine weitere angesagt – die der Kamera. Durch die hohe Auflösung im Vergleich zur Ausgabe in nur Full-HD oder 4k lassen sich „Kamerafahrten“ zwar auch in der Schnittsoftware simulieren, die perspektivische Wahrnehmung durch die tatsächliche Veränderung des Kamerastandpunkts gelingt damit aber nicht. Neben der Kamerabewegung (z.B. linear über Slider oder Dolly) können auch Rotationen (Pan & Tilt – Schwenken & Kippen) und/oder Zooms (die idR. aber im Postprocessing) eingesetzt werden. Die müssen in der Aufnahmesituation sehr langsam erfolgen um im späteren Video gut zu wirken. Durch die langsame Kamerafahrt, die ähnlich wirkt wie wenn wir als Beobachter an dem Motiv vorbeigehen, wird die Zeitrafferwirkung des Motivs noch besser hervorgehoben.

Funktioniert das mit der Videokamera noch halbwegs manuell, ist man bei Timelapse-Aufnahmen auf technische Hilfe angewiesen. Bei einem 90°-Schwenk für ein fertiges 10s-Video gilt es schließlich die Kamera von Bild zu Bild um nur mickrige 0,3° zu drehen – manuell gleichmäßig nicht machbar und zudem wäre man in dem Bsp. bei 10s-Intervallen knapp eine Stunde komplett an die Kamera gefesselt. Grundsätzlich kann man zwei Betriebsarten unterscheiden:

  • Eine kontinuierliche, eventuell sogar unabhängig von der Kamera gesteuerte Bewegung, d.h. auch während der Aufnahme bewegt sich die Kamera. Das ist relativ einfach zu realisieren, birgt jedoch die Gefahr von Verwacklungsunschärfen durch Vibrationen, wohingegen die Bewegungsunschärfe nicht von Nachteil sein muss.
  • Die andere Variante bedarf der Koordination mit der Kameraauslösung und wird im englischen mit „shoot-move-shoot“ bezeichnet, also Bild aufnehmen, Kamera bewegen und erst nach Abschluss der Bewegung wird das nächste Bild aufgenommen. Das ist inzwischen längst der Standard.

Ziemlich abgefahren wird es nun natürlich, wenn die Kamera über einen Kran und Motorkopf quasi frei im Raum bewegt werden kann oder auf einem Slider die Linearbewegung mit pan & tilt kombiniert wird. Das Video gab vor gut 10 Jahren einen netten Einblick in die Welt der Profis und ist heute eher ein wenig Zeitraffer-History denn da war das schon ziemlich Neuland was die Jungs damals zeigten:

Mit dabei auch Tom Lowe, der mit einem Frame seines Films TimeScapes nebenbei  „Astronomy Photographer of the Year“ wurde.

IdR. lässt sich über eine Steuerung die Intervallzeit einstellen, dazu den (Dreh) Weg, der zwischen den Aufnahmen zurückgelegt wird und die Gesamtanzahl der Bewegungsschritte/Bilder. Bei ausgefeilteren Systemen können mehrere Kanäle unabhängig eingestellt werden und auch weitere Kexframes zu Start und Ziel definiert werden.

Dabei bestimmt sich die Intervallzeit über das jeweilige Motiv und wie schnell man es im fertigen Bild bewegen lassen möchte – bei niedrigen Wolken z.B. nur 1-2 s, bei Sternenaufnahmen oder wenn man einen durch die Erdrotation ziehenden Schatten einfangen möchte dagenen eher ca. 20-30 s oder noch länger. Die Geschwindigkeit bzw. zurückgelegte Strecke von Bild zu Bild hängt gleich von mehreren Faktoren ab: Bezüglich der Effektwirkung primär von der Entfernung des Vordergrunds (ohne den braucht man kaum einen Slider!) zur Kamera und das in Abhängigkeit der Brennweite! Letztlich geht es um die Geschwindigkeit, mit der sich der Vordergrund von Aufnahme zu Aufnahme auf dem späteren Bild bewegt – also je größer der Abstand und je kleiner die Brennweite, desto höher kann/sollte die Geschwindigkeit des Sliders sein. Slideraufnahmen wirken nur mit einem Vordergrund, der relativ nah an der Kamera ist – ein gravierender Unterschied im Einsatzszenario gegenüber dem Kameraschwenk der keinen solchen Vordergrund benötigt! Man sollte sich nun nicht aufgrund des vorhandenen Sliders dazu hinreißen lassen, unbedingt irgend etwas in der Vordergrund zu setzen wenn es das Motiv eigentlich gar nicht hergibt – dann lieber einen leichten Ken-Burns-Effekt in der Videobearbeitung einbauen!

Die wilde Bastelzeit mit der Eieruhr als Drehteller ist weitgehend vorbei, es gibt aber nach wie vor günstige Kleinanbieter (z.B. tlpbf.de von Hans Vollmer), mehr oder weniger fragwürdige „Fernostimporte“ aber eben auch seriöse Firmen mit ausgereifter Produkpalette. Dass man aber auch da vor bösen Überraschungen nicht geschützt ist, zeigte der unrühmliche Abgang von Dynamic Perception, von denen ich übrigens einen soliden Slider habe. Den Shop gibt’s immer noch, die FB-Seite ist seit Jahren nicht mehr aktualisiert, mindestens ein auf der Webseite angegebener Vertriebspartner ist schon seit vielen Jahren nicht mehr am Markt und auch Brian von eMotimo hat Bedenken. Also wer keine gesicherten gegenteiligen Infos hat: Finger weg von Dynamic Perception.

Auch wenn aufeinander abgestimmte Komponenten natürlich Vorteile mit sich bringen, handelt es sich zunehmend um proprietäre Systeme – man ist auf diesen Hersteller fixiert und kann andere Systeme nicht integrieren. Gerade bei so einem System sollte eine Erstanschaffung also gut überlegt sein.


Äh halt – bei „wilde Bastelzeit“ fällt mir ja nun doch Chris Field ein, wobei wild und Basteln eine Beleidigung ist, angesichts dessen, was er da so zaubert. Also wer 3D-Drucker, Plasmaschneider etc. rumliegen hat – baut Euch doch einfach selbst ein 6-Achsen System und filmt damit ein bisschen für die BBC 😉

Behind the Scences von BBC The Green Planet
Next Step 6-Achsen System mit virtuellem Hintergrund

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